Laut dem Sportwissenschaftler Prof. Dr. Ahmet Derecik ist der Migrationshintergrund nicht unbedingt der entscheidende Faktor, wenn es um den Zugang zu Sportvereinen geht, sondern vielmehr der sozioökonomische Status. Vor allem Mädchen haben es hier schwer. Wie Sportvereine den Zugang für Menschen mit unterschiedlichen Biographien erleichtern können, erzählt er im Interview.
Die Zielgruppe der Menschen mit Migrationshintergrund oder mit Fluchterfahrung muss in einem ersten Schritt natürlich erreicht werden. Dafür braucht es eine gewisse Art von Öffentlichkeitsarbeit. Kooperationen mit der Kinder- und Jugendhilfe, mit der Schule, mit religiösen Organisationen, mit Jugend- und Sozialarbeitern können helfen, diesen Zugang zu erhalten. Darüber hinaus muss das Angebot zielgruppenspezifisch gestaltet werden – also weg von einem reinen Wettkampfbetrieb, hin zu einem niederschwelligen Angebot. Es muss über Mitgliedsbeiträge nachgedacht werden. Für Menschen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status kann ein Mitgliedsbeitrag von fünf Euro schon eine Hürde sein. Auch die Anfahrtswege müssen teilweise organisiert werden, da Menschen mit Fluchterfahrung in Unterkünften leben, die oftmals außerhalb der Städte oder des Dorfkerns liegen.
Forderungen an die Politik liegen für mich auf zwei Ebenen: Es benötigt ein klares Statement, das zeigt, dass Menschen mit Fluchterfahrung in Deutschland willkommen sind und Integration durch Sport erwünscht ist. Im Integrationsplan der deutschen Bundesregierung ist das auch verankert, sogar prominent vertreten. Allerdings wird das in meinen Augen konterkariert durch gewisse politische Strömungen – durch den Mitglieder-Zuwachs für die AfD, aber auch durch die aktuelle Orientierung der CSU. Das ist nicht gewinnbringend für Integrationsmaßnahmen – sowohl im Sport als auch darüber hinaus. Auch der Sportverein selbst kann Maßnahmen speziell gegen Antirassismus entwickeln, um ein Signal zu setzen und sich klar gegen aktuelle politische Entwicklungen zu positionieren. Auf der anderen Ebene wünsche ich mir deutlich mehr Fördermaßnahmen. Wenn Integration erwünscht ist, dann ist es natürlich für jeden Verein wichtig, strukturelle Förderungen und finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt zu bekommen. Wir haben auf oberster Ebene bereits Maßnahmen, in die viele Gelder fließen. Es sollte aber mehr in die Fläche gegossen werden, um den Vereinen, die von diesen Maßnahmen noch nicht profitieren konnten, ein Stück weit Impulse zu geben. Damit Vereine in Zukunft diese Arbeit mit eigenen Kräften stemmen können.