Neben dem Fehlen von leistbaren und menschenwürdigen Wohnraum, ist Rassismus ein Problem bei der Wohnungssuche, mit denen speziell Geflüchtete und Migrant*innen, konfrontiert sind. Im Interview spricht die Stadt- und Fluchtforscherin Dr.in Christina West über dieses Problem, aber auch über die Notwendigkeit, neue Formen des Zusammenlebens zu entwickeln.
In puncto Wohnen ist die Vorstellung handlungsleitend, dass Menschen dezentral – also nicht in Sammel- oder Gemeinschaftsunterkünften leben sollen, damit vielfältige Anschlussmöglichkeiten möglich werden und unterschiedliche Menschen sich kennenlernen. Mit dieser Vorstellung wird ein Großteil der Integrationsarbeit über die Grunddaseinsfunktion „Wohnen“ in Quartiere verlagert. Das ist aber kein Selbstläufer, da Wohnen eigentlich der Raum ist, in dem Privatheit stattfindet. Die Wohnung ist der Ort des Rückzugs, wir können die Tür zumachen und müssen uns nicht mit den Nachbar*innen auseinandersetzen. Deshalb geht es genau genommen nicht um das Wohnen in der Wohnung, sondern um den öffentlichen Raum, also den Raum, in dem eine direkte, offene aber auch kreative Aushandlung möglich wird, die sich an Möglichkeiten, an Potenzialen und Ideen der Menschen orientiert und weniger an Verboten und Geboten, die im Voraus verhindern oder einschränken. Natürlich gibt es Normen, es gibt Gesetze, aber können wir als Gesellschaft nicht so selbstbewusst und neugierig sein, um uns gegenseitig zuzuhören und zu versuchen wirklich allen die Möglichkeit zu geben, sich einzubringen? Es ist ganz wichtig zu verstehen, dass mir gegenüber ein Mensch sitzt, der von weit hergekommen ist, eine oftmals lange und beschwerliche Reise hinter sich und viel zurückgelassen hat. Ein Mensch mit gewissen, reflektierten Vorstellungen darüber, wie er oder sie leben möchte. Aus diesen Ideen, Wünschen und jeweils eigenen Utopien können gemeinsam Entwicklungen vorangetrieben werden und so können wir uns zusammen fragen, wie wir leben wollen.
Das Problem ist, dass Geflüchtete de facto keine Repräsentation haben oder sich nicht repräsentiert fühlen. Daher finde ich das Konzept der „urban citizenship“ hilfreich: Damit werden alle Menschen, die einfach da sind, egal ob sie einen legalen Status haben oder nicht, sichtbar. Selbst wenn jemand keinen legalen Aufenthaltsstatus hat, gestalten alle Menschen durch ihr „Hiersein“ Stadt mit. Wieso sollten wir dann nicht auch diese Stimmen hören und ihnen ein politisches Mandat übertragen? Wir lamentieren ja oft, dass sich Leute nicht einbringen, aber eigentlich haben wir ihnen im Vorfeld aberkannt, dass sie sich einbringen dürfen. Und ich bin mir sicher, dass das einen positiven Einfluss auf die Entwicklung Deutschlands haben würde. Viele Menschen, die nach Deutschland flüchten, haben Energie, haben eine Vision, etwas nach vorne Gerichtetes – auf eine gemeinsame Zukunft hin. Sie wollen ihren Weg hier gehen – wie wir alle – und das wollen und können sie nicht allein, weshalb alle unsere Wege auch immer wieder gemeinsame Wege sind und werden. Aber wir wollen das nicht hören – oder können wir es nicht hören? Wir sind – bisher – nicht in der Lage, es zu verstehen.