Dr.in Annette Korntheuer erzählt im Interview, wieso die SchlaU-Schule als Good-Practice-Beispiel eingeordnet werden kann und welche Rahmenbedingungen notwendig sind, damit Geflüchtete im Regelschulsystem erfolgreich sein können.
Ein großes Problem ist, dass es für junge Geflüchtete, die schon 15 oder 16 Jahre alt sind, gar kein Regelsystem gibt. In Bayern gibt es zwar die Berufsintegrationsklassen und auch bundesweit gibt es ähnliche Modelle, in denen Geflüchtete und Migrant*innen beschult werden. Diese sind jedoch stark auf die berufliche Ausbildung fokussiert und nicht so sehr auf höhere Schulabschlüsse. Das finde ich höchstproblematisch, weil es sehr wohl junge Geflüchtete und Migrant*innen gibt, die mit guten Bildungsvoraussetzungen kommen oder die sehr motiviert sind und in höhere Abschlüsse hinein möchten. In Bayern kommt noch dazu, dass aus aufenthaltsrechtlichen Gründen nicht für alle Geflüchtete Ausbildungserlaubnisse erteilt werden. Es ist noch nicht zu einer gelungenen Umsetzung der 3+2 Regelung gekommen. Die Folge ist, dass speziell junge Geflüchtete sehr viel Kraft und Motivation in ihre Schulbildung investieren und am Ende dieser Schulbildung vor dem Nichts stehen, weil sie in keine Ausbildung kommen.
Zentral – und zwar nicht nur für Geflüchtete, sondern für unsere diverse Gesellschaft – ist, dass es eine gute Diversity-Orientierung braucht. Da gehört sehr viel dazu. Das ist erstmal eine grundsätzliche Haltung: Wie können wir Regelsysteme für eine diverse Schülerschaft fit machen? Welche gezielten Unterstützungssysteme braucht es für einzelne Gruppen? Sehr gewinnbringend ist zudem, dass die Menschen direkt mitwirken und gestalten können – also im Sinne von Schülermitverwaltung, aber auch durch das Einbeziehen von Migrant*innen-Selbstorganisationen. Dadurch werden Migrant*innen als Expert*innen angesprochen und sie können aus ihrer Perspektive Strukturen verändern. In Bayern ist außerdem die sehr frühe Trennung nach Leistung problematisch. Das ist vor allem für Kinder und Jugendliche ein Problem, die Deutsch als Zweitsprache sprechen, aber auch für die Kinder und Jugendlichen aus sozial schwierigen Familien. Würde man diese frühe Trennung nach hinten schieben, haben Kinder und Jugendliche – egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund – bessere Chancen.