Nele Wichtmann ist Medizinstudentin und nahm bei der ersten Muttersprachlichen Trauma-Ersthilfe-Ausbildung in Landsberg am Lech teil. Sie plädiert dafür, dass Menschen mehr aufeinander zugehen sollten, anstatt sich voneinander abzugrenzen, denn einer Verletzung könne nicht mit einer weiteren Verletzung begegnet werden. Das bedeutet für sie auch, dass traumatische Erfahrungen der Geflüchteten einerseits in mediale und öffentliche Debatten miteinbezogen werden und andererseits behandelt werden müssen.
Doch in Deutschland ist die psychotherapeutische Versorgungssituation für alle Menschen, die diese bräuchten, angespannt. Derzeit liegen die Wartezeiten bis zum Beginn einer Psychotherapie bei 4,6 Monaten. „Für Geflüchtete ist es aufgrund von Sprachbarrieren und zahlreichen weiteren strukturellen Hürden noch um ein Vielfaches schwieriger, einen Therapieplatz bei einem*r niedergelassenen Psychotherapeut*in zu finden“, heißt es im Versorgungsbericht der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Geflüchtete und Folteropfer (BAfF e.V.).
Dabei müsste laut der Aufnahmerichtlinie des Europäischen Parlaments allen Asyl-Antragssteller*innen eine adäquate medizinische und psychologische Betreuung zur Verfügung gestellt werden – insbesondere bei Opfern von Folter, Vergewaltigung und anderen schweren Gewalttaten.
Und davon gibt es in Deutschland viele: Laut einer Erhebung von Schutzsuchenden des Wissenschaftliche Instituts der AOK, gaben nur 22,5 Prozent aller Befragten an, dass sie selbst keine Gewalterfahrungen bzw. traumatischen Ereignisse erlebt haben. Zudem zeigt die Erhebung, dass bei insgesamt 44,6 Prozent aller Befragten ein Verdacht auf eine depressive Erkrankung vorliegt.