Interview mit Peter Wesely

Der Geschäftsführer des österreichischen Vereins Wirtschaft für Integration spricht im Interview über Fehler der Politik, die in puncto Arbeitsmarkt gemacht werden, aber auch darüber, Geflüchtete nicht als Problemgruppe zu sehen, sondern als Menschen mit vielfältigen und wichtigen Kenntnissen und Erfahrungen.

Welche Punkte sind zentral, um arbeitsmarktbezogene Maßnahmen sinnvoll umzusetzen?

Ich denke, dass zwei Ebenen sehr wichtig sind: Das eine ist zu schauen, welcher Bedarf auf dem österreichischen Arbeitsmarkt vorhanden ist. In welchen Berufsbildern gibt es eine Zukunft? Dazu zählen auch Ausbildungsmöglichkeiten, die in anderen Ländern nicht bekannt sind. Man sollte junge Menschen zum Beispiel über die Lehre, die duale Ausbildung, informieren. Diese ist in Österreich selbstverständlich, aber in vielen Teilen der Welt nicht. Der zweite Punkt ist, dass man auf die vorhandenen Fähigkeiten fokussieren muss. Das betrifft auch soft skills, die mit den herkömmlichen Rastern von Personal-Verantwortlichen nur bedingt erkennbar sind: Wie muss ich in einem Evaluierungs- oder Bewerbungsgespräch fragen, um die Erfahrungen, die auch durch die Flucht gemacht wurden, zu erkennen?

Welche Forderungen haben Sie an die Politik, damit diesen Problemen entgegengewirkt werden kann?

Es braucht einen politischen Willen. Die aktuelle Diskussion, ob man asylsuchende Lehrlinge abschieben kann, zeigt das pure Unverständnis der politischen Verantwortlichen – auch für unternehmerisches Denken. Außerdem muss man Wege finden, um die deutsche Sprache gut erlernen zu können – und zwar auch schon während des Asylverfahrens und auf einem Level, das nicht nur A1 und A2 sicherstellt. Gerade höherqualifizierte Geflüchtete müssen die Möglichkeit haben, Deutsch auf B1, B2 und C1-Level zu erlernen – am besten in Verbindung zwischen Arbeit und Deutschkurs. Viele höherqualifizierte Geflüchtete arbeiten in einem Beruf unter ihren Qualifikationen, weil die Deutschkenntnisse noch nicht reichen und sie trotzdem den Lebensunterhalt und zusätzlich einen Deutschkurs finanzieren müssen.

Die Kattunfabrik will verstärkt die Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Frauen vorantreiben. Was benötigt es Ihrer Meinung nach, um Frauen zu fördern?

Die Arbeitsmarktintegration von Frauen ist nicht nur für die Frauen selbst, sondern für die Integration der gesamten Familie wichtig – und wir können davon ausgehen, dass 60 bis 70 Prozent der Frauen mit der Familie nach Österreich gekommen sind. Gelingt es, Frauen zu ermächtigen, hat das Auswirkungen auf ihr persönliches Selbstverständnis, auf ihr Selbstbewusstsein, auf ihren Status innerhalb der Familie, auf ihr Verhältnis zu ihrem Partner, auf das Rollenverständnis von Geschlechtern, das sie den Kindern weitergibt. Daher ist es wichtig, für diese Zielgruppe Programme zu entwickeln.